Straßen, Plätze und Gebäude im Kolonnadenviertel
Die Kolonnadenstraße
Die Kolonnadenstraße verbindet den Dorotheenplatz mit der Friedrich-Ebert-Straße, wo sich früher der Westplatz befand. Die Straße wurde auf der Mittelachse von Apels Garten angelegt und erhielt ihren Namen 1845 nach den hölzernen Kolonnaden, die diese Mittelachse einfassten. Nach 1840 wurden diese Kolonnaden durch zwei Reihen meist einstöckiger Häuser ersetzt. Hier siedelten sich vor allem Handwerksbetriebe und Kleingewerbetreibende an. Ende des 19. Jahrhunderts wandelte sich die kleinstädtisch wirkende Straße durch Bau von vierstöckigen Häusern zu einer pulsierenden Geschäftsstraße. Die Handwerksbetriebe verschwanden in den Hintergebäuden. In den 1930er Jahren gab es in der nicht einmal 250 m langen Straße immerhin sechs Lebensmittel-, drei Molkerei-, drei Tabakwaren-, zwei Fleischer-, zwei Bäckerläden und einen Fischladen. Wegen ihrer geringen Breite von elf Metern und der engen Tordurchfahrt zum Dorotheenplatz war die Kolle, wie die Straße im Volksmund auch noch heute genannt wird, fast eine Fußgängerzone. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es trotz der starken Zerstörung noch viele Geschäfte. Wegen Geschäftsaufgaben verödete die Straße immer mehr.
Nach dem Bebauungskonzept für die Innere Westvorstadt wurden ab 1984 die Baulücken mit speziell entwickelten Plattenbauten - einige Segmente waren mit Jugendstilornamenten verziert - geschlossen und die noch bestehenden Altbauten restauriert. Der Einsatz des Kranes in dieser schmalen Straße erforderte spezielle Vorarbeiten. Es gelang, eine harmonische Verbindung zwischen erhaltenswerter Alt- und der Neubausubstanz herzustellen, so dass die Kolonnadenstraße zu DDR-Zeiten zur Vorzeigestraße avancierte und auch wieder viele gern genutzte Geschäfte und Gaststätten aufweisen konnte.
Nach der Wende anfänglich als "kurze Meile mit großer Power" eingeschätzt, schreibt die BILD am 20. August 1992: "Flanieren und Schlemmen wie in München oder Düsseldorf - in Leipzig ein Zukunftstraum? Schon erfüllt! In der […] Kolonnadenstraße gibt's 14 Privatgeschäfte und vier tolle Restaurants. Vom Frühstück bis zum heißen Drink - hier pulsiert das Großstadtleben bis nach Mitternacht." Und der Leipziger Wochenkurier schreibt noch am 17. Mai 1995: "'Kolle': Einkaufsmeile mit liebenswertem Flair." Aber schon schätzen die Geschäftsleute ihre Lage wegen der Konkurrenz der entstandenen Einkaufszentren außerhalb der City als problematisch ein.
Danach wurde zunehmend von den Bürgern die erneute Verödung der Straße beklagt. Das war ein wesentlicher Grund, dass einige besorgte Bürger die Initiative ergriffen haben und den Bürgerverein schließlich 2003 gründeten. Verhindern konnten wir die Geschäftsaufgaben zwar nicht, aber das Kolonnadenviertel rückte wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit. Und so schätzen wir uns heute glücklich, dass sich gewissermaßen eine "Kunstmeile" herausgebildet hat, durch die viele Läden wieder genutzt werden. So durch den Kunstverein Leipzig, die Künstlerresidenz *blumen*, eine Grafiker-Gemeinschaft, ein Künstler- und Architekten-Atelier sowie ein Modedesigner-Atelier. Mit diesen neuen "Bewohnern" werden auch neue Angebote unterbreitet und kommen verstärkt junge Leute in die Straße. Unser Bürgerverein hat diese Entwicklung mit seinem Projekt der Begrünung der Kolonnadenstraße maßgeblich unterstützt.
Die Nonnenmühle
Entlang der östlichen Begrenzung des Kolonnadenviertel zur Leipziger Innenstadt fließt der Pleißemühlgraben - im Volksmund oft auch als Pleiße bezeichnet - von der heutigen Harkortstraße bis zum früheren Fleischerplatz (heute Tröndlinring). Er wurde schon vor rund 1.000 Jahren angelegt, um die Wasserkraft auch technisch zu nutzen, unter anderem durch drei Mühlen, die Nonnen-, die Thomas- und die Barfußmühle.
Die an der Pleiße zwischen den beiden Wasserkünsten südlich der heutigen Karl-Tauchnitz-Brücke gelegene Nonnenmühle gehörte ursprünglich zum Benediktinerinnenkloster St. Georg und ist deshalb nach den Georgennonnen benannt. Sie war die kleinste der Pleißemühlen und wurde nach 1287 erbaut, mehrmals zerstört, aber immer wieder aufgebaut. Nach der Säkularisation des Klosters kam die Mühle im Jahr 1543 an die Stadt Leipzig. Da sie - auch wegen der Konkurrenz der Wasserkünste (abgebrochen nach 1875) - unter chronischem Wassermangel litt, blieb sie in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung hinter den anderen Mühlen zurück. Sie war nebenher noch Öl-, Gewürz- und Schnupftabakmühle, zuletzt diente sie der Papierfabrikation. Unter der Radstube befanden sich mehrere Flussbadehäuser. Wegen des flachen Ufers wurde hier die Pleiße auch als Pferdeschwemme genutzt. Mit zunehmender Besiedelung der Westvorstadt wurden zahlreiche Brücken gebaut, zunächst aus Holz. Einige blieben bis zur Überwölbung der Pleiße unverändert erhalten.
Die Nonnenmühle wurde 1890 abgebrochen, als die heutige Karl-Tauchnitz-
Brücke erbaut wurde. Nach dem Bau des Reichsgerichts 1888-1895 entstand
auf einem Teil des Grundstückes der Mühle 1894-1900 die Fritz-von-Harck-Anlage. Der Pleißemühlgraben erhielt ein Wehr. Das Wasser der Pleiße war früher sehr sauber. Funde von Flussmuscheln belegen das. Nach dem 2. Weltkrieg wurden Abwässer der Braunkohle verarbeitenden Betriebe ungereinigt in den Fluss geleitet, so dass eine hohe Phenolschaumschicht auf dem Wasser schwamm. Die Reaktion der DDR-Regierung war die Überwölbung des Flusses in der Stadt von der Wundtstraße bis zum Naturkundemuseum (1954/55). Der Abschnitt von der Gottschedstraße bis zur Käthe-Kollwitz-Straße war schon 1899 überwölbt worden, als man Platz für das erhöhte Verkehrsaufkommen auf dem Promenadenring schaffen wollte.
1988 gab es erste Bestrebungen, die Pleiße wieder freizulegen. Die Aktion Pleiße ans Licht war erfolgreich, so dass 1996 der erste Abschnitt übergeben werden konnte. Nach der Öffnung des Pleißemühlgrabens wurde 2001 eine Wasserwalze installiert, die - wie auch die Nonnenmühlgasse - noch heute an die Nonnenmühle erinnert. Der Flusslauf von der Rudolph- bis zur Gottschedstraße ist seit 1999 fertig.
Die Thomasmühle
Die Thomasmühle wurde vermutlich um 1200 erbaut, der erste urkundliche Beleg findet sich für das Jahr 1289 als Besitz des Georgen-Nonnenklosters. Der Name leitet sich von dem gegenüberliegenden Augustinerkloster St. Thomas ab. Über die frühen Besitzverhältnisse gibt es unterschiedliche Angaben. 1310 hatten die Leipziger Ratsherren eine Ratsordnung beschlossen, die den zunehmenden Erwerb von Grundbesitz insbesondere durch die Stiftsherren von St. Thomas unterbinden sollte. Die daraus folgenden Auseinandersetzungen beendete der Landesherr 1373 mit einem Schiedsspruch, nach dem unter anderem die Thomasmühle und das zugehörige Grundstück in die Zuständigkeit der Stadt Leipzig übergingen.
Eine andere Version geht davon aus, dass die Mühle nach der Säkularisierung des Nonnenklosters 1543 in Privatbesitz überging. Aus Dokumenten ist ein häufiger Wechsel der Betreiber bzw. Pächter der Mühle zu ersehen. 1642, während der Belagerung durch die Schweden, brannte die Mühle ab, das Vordergebäude war bereits 1648 wieder funktionsfähig, das Hintergebäude erst 1692. 1845 verkaufte die Stadt das Anwesen an J. G. Schlobach. Nach einem Brand im Jahre 1860 baute Schlobach die Mühle - zum Ärger von Mühlenromantikern - in der Art einer Industriemühle aus. Das Wasserrad (Durchmesser 7 Meter, Breite 3,16 Meter) trieb neun Mahlgänge an, sowie eine Gewürz-, eine Schnupftabaks- und eine Ölmühle. Außerdem wurde in den Gebäuden Bier gebraut, Hefe produziert und Branntwein hergestellt.
Aus der handwerklichen Getreidemahlmühle entstand ein landwirtschaftlich-gewerblicher Betrieb, es wurden Schweine, Kühe, Pferde und Federvieh gehalten. 1897 kaufte die Stadt Mühle und Grundstück, die Mühlenkapazität betrug zu dieser Zeit 16 Tonnen Getreide in 24 Stunden. Nach einer Havarie 1898 stand der Erhalt zunächst in Frage, schließlich wurde sie modernisiert, das Wasserrad durch eine Turbine ersetzt und 1901 wieder in Betrieb genommen. 1908 erhielt das Grundstück eine neue Schleuse, damit die Abwässer (v.a. die Jauche aus dem Pferdestall) nicht mehr in den Mühlgraben floss. Die Thomasmühle existierte bis 1944, zuletzt auch als Leipziger Brotfabrik. Sie wurde durch Kriegseinwirkung zerstört. Auf dem Grundstück steht jetzt der Nordteil des Verwaltungsgebäudes der Commerzbank.