Das Kolonnadenviertel im Stadtbild von Leipzig im 17. und 18. Jahrhundert
Die Leipziger Einwohnerschaft ist in der Zeit von 1650 bis 1815 nicht unerheblich gewachsen. Das drückt sich naturgemäß in Veränderungen des Stadtbildes aus. Die festungsmäßige Ausgestaltung der Stadt während des Dreißigjährigen Krieges hatte die Entwicklung der Vorstädte vollkommen unterbunden. Nach dem Friedensschluss war vor den Toren wieder ganz neu aufzubauen. Der Plan von 1795 zählt 765 Grundstücke in der inneren und 567, also beinahe die Hälfte, in der äußeren Stadt. Besonders die Plätze dem Stadtgraben gegenüber waren gesucht, zumal man längs der Befestigungsanlagen Alleen anzupflanzen begann.
Freilich wurde immer noch nur ein kleiner Teil der nächsten Umgebung bebaut. Die größten Sektoren, so ziemlich der ganze Westen, ein Teil des Ostens, der größte Teil des Nordens – meist Gebiete, die als Baugrund von fraglicher Beschaffenheit waren – boten Leipzigs berühmten Gärten Raum. Über 30 hat man zeitweilig gezählt. Dabei waren die ansehnlichsten: der Apelsche, der Großbosische, der Kleinbosische. Andreas Dietrich Apel erbte um 1700 einen vor dem Thomaspförtchen liegenden Garten, der bereits 1629 bestand. Er erweiterte ihn durch Ankäufe und legte einen neuen prachtvollen Garten in Fächerform an, umgeben von Wohn-, Wirtschafts- und Fabrikgebäuden. Die fächerförmige Anlage des Gartens war Anlass für die Anekdote, Apels Frau, eine der Favoritinnen Augusts des Starken, habe sich einen Fächer gewünscht, worauf ihr der König den Garten geschenkt habe. Der Garten lag zu beiden Seiten der heutigen Otto-Schill-Straße, die Kolonnaden(-straße) führten mitten hindurch.
Zahlreiche Kanäle ermöglichten Gondelfahrten, wie überhaupt das Wasser das belebende Element des Gartens war. Viele Wasserfeste fanden statt, das bedeutendste am 10. Mai 1714 in Anwesenheit von August dem Starken. Fischer aus Venedig belustigten die Anwesenden mit dem Brauch des Fischerstechens. Wertvolle Plastiken, u.a. von Balthasar Permoser, standen in Nischen (heute stehen zwei Kopien auf dem Dorotheenplatz), und eine große Terrasse erfreute die lustwandelnde Gesellschaft. 1765 schrieb Goethe aus Leipzig an seine Schwester Cornelia: "Die Leipziger Gärten sind so prächtig, als ich in meinem Leben etwas gesehen habe. Ich schicke Dir vielleicht einmal das Prospekt von der Entrée des Apelgarten, der ist köstlich." Der Graf de Guibert, ein Weltreisender, urteilte allerdings im Jahr 1773: „Man hat mir in Frankfurt die Leipziger Gärten vorgelobt; ich habe die besten besichtigt, sie würden in Frankreich und England als mittelmäßig gelten“. So schnell ändern sich die Zeiten. 1784 wird bereits berichtet, dass Apels Garten nicht mehr gepflegt ist. Später hat ihn Reichel übernommen. (In Anlehnung an: „Heimatgeschichte für Leipzig und den Leipziger Kreis“ 1927 sowie „Die Promenaden bey Leipzig, 1990).
Das Kolonnadenviertel im Stadtbild von Leipzig im 19. Jahrhundert
Während im 17. und 18. Jahrhundert das Bild unseres heutigen Kolonnadenviertels durch die zahlreichen Gartenanlagen mit kleinen Sommerhäuschen als Erholungsgebiet für die wohlhabenden Bürger der Stadt geprägt war, ist das Stadtbild des 19. Jahrhunderts durch einen rasanten Ausbau als zentrumsnahes Wohn- und Arbeitsviertel gekennzeichnet.
In den 20er und 30er Jahren entstehen erste Bauten entlang des Pleißemühlgraben am Promenadenring, so das große Reichelsche Mittelgebäude, das sogenannte Lange Haus in Lehmanns Garten, Cajeris Café und die Gebäude in Lurgensteins Garten. In den Jahren ab 1840 begann die umfassende Umgestaltung mit der Entwässerung von Reichels (Apels) Garten und der umliegenden Wiesen durch Carl Heine, der als Schwiegersohn von Erdmann Traugott Reichel weitere Liegenschaften um Reichels Garten herum erwarb. Bereits in den 40er Jahren wurden zahlreiche Wohnbauten, darunter auch die erste vorgründerzeitliche Bebauung der Colonnadenstraße selbst, und gleichzeitig die ersten größeren Gesellschaftsbauten errichtet, wie die katholische Kirche in der Rudolphstraße, das Hufeisengebäude an der Promenade (Ecke Rudolphstraße), das Logenhaus in der Elsterstraße (Ecke Centralstraße) sowie die Centralhalle an der Einmündung der Centralstraße auf die Promenaden.
In dieser Zeit und in den 50er Jahren werden die meisten der heutigen Straßenzüge angelegt und systematisch bebaut. So auch 1855 die Große Gemeindesynagoge an der Centralstraße, 1859 Lampe’s Dampffabrik für ätherische Öle im Alten Amtshof 2, 1861 die Bürgerschule (ab 1880 Katholische Schule) in der Alexanderstraße, 1863 als erstes Leipziger Bad mit Schwimmbassin das Sophienbad in der Dorotheenstraße. Als letzte Abschnitte werden 1883 die Promenadenstraße (spätere Richard-Lipinski-Straße bzw. Käthe-Kollwitz-Straße), die Gottsched- und die Thomasiusstraße sowie 1891 der Durchbruch der Dorotheenstraße zum Promenadenring fertiggestellt. Damit war die Bebauung des Kolonnadenviertel zunächst einmal abgeschlossen, bevor in den 90er Jahren bereits wieder mit dem Abriss einer größeren Zahl alter und der Errichtung neuer repräsentativerer Gebäude begonnen wurde.